Saturday, June 16, 2012

Antelope Canyon

Fast jeder hat diese Bilder schon einmal gesehen, und jeder Kamerabesitzer träumt davon, sie selbst einmal zu fotografieren. Die Rede ist vom Antelope Canyon und seinen bizarren, über Jahrtausende geformten Sandsteinformationen, dessen organische Formen in spektakulären Farben aufleuchten:







Der Antelope Canyon liegt am Rand des kleinen Städtchens Page in Arizona. Es gibt einen Upper und einen Lower Antelope Canyon, die bekanntesten Bilder stammen wohl aus dem Upper Antelope Canyon (ebenso wie die hier gezeigten). Um ihn zu besichtigen, muss man eine geführte Tour buchen, die je nach Tageszeit etwa 30 bis 40 Dollar pro Person kostet, und die einem etwa eine Stunde Zeit im Canyon gibt. Mittags ist es teurer, weil man nur dann die Chance hat, einen der Light Beams zu fotografieren. Es gibt auch spezielle Touren für Fotografen, die etwa doppelt so teuer sind.

Die Touren gehen mitten in Page los:



Der Canyon liegt im Navajo-Gebiet, etwas östlich von Page, und die Touren werden von den Navajos organisiert. Die Fahrt auf den Geländelastwagen führt an der Navajo Generation Station vorbei (kurz "NGS"), einem großen, ziemlich auffällig mitten in der Wüste liegendem Kohlekraftwerk mit 2000 Megawatt Leistung:



Von der Hauptstraße bis zum Canyoneingang geht es dann noch einmal einige Kilometer über eine sandige Buckelpiste, auf der man ordentlich durchgeschüttelt wird:



Nach der Ankunft werden Gruppen von etwa zwanzig Personen gebildet, denen jeweils ein Guide zugeordnet ist, der die Gruppe durch den Canyon führt.

Der etwa 400 Meter lange Canyon ist eine Art Erdspalte, die durch einen Nebenarm des Colorada River in den Sand gewaschen wurde. Durch das von oben einfallende Licht ergeben sich die auffälligen Formen und Farben.

Man geht ebenerdig in ihn hinein und fotografiert die ganze Zeit nach oben:





Im Canyon herrscht ein ziemlicher Trubel. Es ist relativ eng und ständig kommen Leute von vorne oder hinten oder drängeln sich vorbei. Bleibt man zu lange stehen, ermahnt einen der Guide, wieder zur eigenen Gruppe aufzuschließen, um der nachfolgenden nicht die Chancen zu verderben. Am Ende wird kehrt gemacht und man geht auf gleichem Weg wieder zurück zum Eingang. Touristen mit ihren kleinen Knipsen vermischen sich mit ambitionierten Amateuren und Profis mit großem Equipment:



Die Guides kennen sich mit den Fotomöglichkeiten und den unterschiedlichen Kameratypen ganz gut aus und helfen, wo sie können. Grundsätzlich können daher auch die weniger gut ausgestatteten Besucher zu halbwegs brauchbaren Bildern kommen. Mitunter helfen die Guides etwas nach und werfen Staub in die Luft, um einen Lichtstrahl sichtbar zu machen oder einen kleinen Sandwasserfall zu erzeugen:



Durch die starken Helligkeitsunterschiede im Canyon sind einfache Kameras aber schnell überfordert. Ihr Dynamikumfang reicht nicht aus, um den kompletten Tonwertumfang von den hellen Stellen ganz oben bis zu den dunklen Sandsteinen im unteren Bereich vollständig abzubilden.

Meist neigen die Automatikprogramme wegen der großen überwiegend dunklen Flächen zur Überbelichtung und waschen die hellen Stellen vollständig aus. Statt einen schönen Übergang von rot über orange nach gelb hinzubekommen, ist der helle Bereich dann vollkommen weiss und kann auch in Photoshop nicht mehr gerettet werden. Andererseits werden die dunklen Stellen nicht schwarz, sondern grau und sind meist auch noch verrauscht. Zudem können die nötigen langen Belichtungszeiten zu Verwacklern führen.

Am besten sind diejenigen dran, die eine Kamera mit großem Dynamikumfang und manuellen Einstellmöglichkeiten, sowie lichtstarke Objektive besitzen. Für die meisten Motive benötigt man Brennweiten im Bereich von etwa 28 bis 100 mm.



Ich habe mit einer Olympus E-P3 und dem Kitobjektiv bei ISO 800 aus der Hand fotografiert, meist mit Belichtungszeiten von 1/6 bis 1/10 Sekunden. Das war gerade noch akzeptabel, aber eigentlich hätte ich mir mehr Dynamik gewünscht. Objektivwechsel waren aus Zeitmangel und wegen des Staubs tabu. Optimal wären zwei Gehäuse gewesen, eines mit dem 20er und eines mit dem 45er, beide auf Blende f/2 eingestellt. Dann hätte ich mit ISO 200 fotografieren können und der Dynamikumfang des Sensors wäre etwa 2 Blenden größer gewesen. Den gleichen Effekt hätte ein Stativ gebracht.

Alles in allem war der Upper Antelope Canyon aber ein spektakuläres Erlebnis und steht in der Rangliste unseres Trips durch den Südwesten der USA ganz, ganz weit vorne. Wir sind voll auf unsere Kosten gekommen und haben die hohen Eintrittspreise keine Sekunde bereut.

Saturday, June 9, 2012

Der Pi-Ring

Schon bevor ich in die Torpedo Factory eingezogen bin, habe ich Eric Margry in Studio 229 kennengelernt. Er ist einer der wenigen verbliebenen "Hand Engraver", also einer jener Künstler, die winzige Schriften, Wappen und Ornamente ohne elektrische Hilfsmittel, nur mit Hilfe feiner stählerner Stecheisen in Schmuckstücke aus Silber und Gold gravieren können.

Am letzten Wochenende wurde Eric in der Artikelserie First Person Singular in der Washington Post portraitiert. Herzlichen Glückwunsch, das ist eine echte Auszeichnung!

Irgend ein Verrückter hat bei ihm einen Ring bestellt, der die Kreiszahl PI symbolisiert. Auf dem Rand steht 3.141592..., auf der Oberseite folgende Formel:



Das ist eine Kurzschreibweise für die als Leibniz-Reihe bezeichnete Summe 1/1 - 1/3 + 1/5 - 1/7 + 1/9 - 1/11... usw. Diese konvergiert zwar sehr langsam, aber wenn man sie bis ins Unendliche fortsetzt, kommt schließlich PI/4 heraus.

Die Optik der Formel musste zunächst ein bisschen aufgehübscht werden, weil die Größen und Proportionen der originalen TeX-Darstellung für den Ring nicht ganz stimmig waren. Zwar kann die Knuth'sche Formelästhetik grundsätzlich als sehr gelungen angesehen werden. Aber für den Ring war das Summenzeichen etwas zu klein, der Bruch zu groß und die Gleichheitszeichen zu breit. Außerdem musste das Höhe-Breite-Verhältnis verändert werden, damit die gesamte Formel auf den Ring passte.

Nachdem der Rohling gegossen war, begann Eric mit dem Gravieren:





Nach ein paar Stunden unter der Lupenbrille war die obere Fläche fertig:



Zu guter Letzt wurden die ersten 26 Stellen von PI auf den Rand graviert. Die ersten Ziffern etwas größer, denn das allseits bekannte "3.14" soll schließlich gut zu sehen sein, die übrigen Ziffern kleiner. Schließlich noch die Mattierung und etwas Feinschliff und der Ring war fertig:



Der Pi-Ring hat trotz seines zarten Alters schon mehrfach Anlass zu Gesprächen gegeben und wird als "nice", "unique" und "funny" angesehen. Ich würde zu gerne wissen, wem er gehört ;-)

PS. Die Amerikaner sagen übrigens "PEI" statt "PI", genau genommen ist es also ein PEI-Ring. Eigentlich ja eher "a quarter of pi", also ein Viertelkreis, bzw. korrekt ausgesprochen "a quarter of a pie", was wie Eric meinte, wie ein Stück Pizza aussehen müsste - was ja auch mit "Pi" anfängt. Pure Koinzidenz oder Kausalzusammenhang? Keine Ahnung. Vielleicht enthält der Ring ja eine Geheimformel für Pizza; obendrauf der Teig und auf dem Rand die Zutaten: 1 ist der Käse, 4 die Jahreszeiten, usw. ?!?

Have fun!

Sunday, June 3, 2012

What did we learn?

Das folgende Foto habe ich im April in New York von der Aussichtsplattform des Rockefeller Centers aufgenommen. Es zeigt das Empire State Building, und im Hintergrund die Südspitze Manhattans mit all ihren Hochhäusern und Straßenschluchten. Man sieht, wie die neuen Wolkenkratzer des World Trade Center Komplexes langsam wieder in den Himmel wachsen und die Skyline der City erneut zu dominieren beginnen:



Vordergründig ist das natürlich ein attraktives Bild. Die monumentale Statur des Empire State Buildings, die tiefe Staffelung der Hochhäuser, die plakativen Farben des Sonnenuntergangs - all das tut seine Wirkung. Ohne die provokative Frage aus dem Titel des Postings wäre die Welt in Ordnung.

Aber bei näherer Betrachtung provoziert das Foto natürlich eine wichtige und viel diskutierte Frage in Bezug auf die mittelfristige Reaktion auf die desaströsen Ereignisse des 11. September 2001.

Soll man das wirklich alles wieder aufbauen? Genauso wie vorher? Eher noch schöner und größer? Frei nach dem Motto, "Wir lassen uns nicht unterkriegen!". Wir, die New Yorker, und die gesamte "freie" westliche Welt!

Natürlich kann man so argumentieren...

Aber vielleicht wäre es besser gewesen, Lehren zu ziehen. Muss der Wiederaufbau nicht eine erneute Provokation in den Augen all derer sein, die an diesem exhibitionistisch zur Schau gestellten Prunk nicht teilhaben können (oder wollen)?

Kann eine Reaktion, die derartige Grundsatzfragen ganz offensichtlich ignoriert, überhaupt angemessen sein? In Zeiten des grotesken Wertverfalls von Immobilien? In Zeiten US-amerikanischer und globaler Finanz- und Wirtschaftskrisen? Krisen. Die zu großen Teilen von eben jenen Institutionen verursacht wurden, die sich nun erneut zur Schau stellen?

Ist den Opfern der Anschläge damit Genüge getan?

I know, "The show must go on"!

Aber mitunter fehlt mir ein bisschen die kritische Distanz zur eigenen Schönheit und Großartigkeit...